Anhaftung aufgeben

 

Gendün Rinpoche

WARUM IST UNSER GEIST nicht ruhig und stabil, wenn wir meditieren?

Weil wir an der Welt und all den Erfahrungen, die wir mit ihr haben, hängen. Wir hängen nicht nur daran, sondern wir haften daran, und nicht nur das, wir sind vollständig gefesselt und abhängig von unseren Erfahrungen. Wenn wir in der Meditation allmählich von all dieser Abhängigkeit und Anhaftung freikommen, werden wir entdecken, dass unser Geist ruhig und stabil ist.

Wir sind in Samsara gefallen, weil wir die Kontrolle über den Geist verloren haben, und befinden uns nun in einem Zustand ständigen Leidens. So leiden wir wegen unserer Freunde, weil wir unfähig sind, eine gute Beziehung mit ihnen aufrecht zu halten. Haben wir zum Beispiel Kinder als unsere besten Freunde, füttern wir sie, geben ihnen, was immer sie wünschen, und hängen sehr an ihnen. Dann werden die Kinder älter und tun, was sie mögen. Meistens mögen wir jedoch nicht, was sie mögen. Da wir nicht akzeptieren, was sie tun, können wir sie nicht bei uns behalten. Und darunter leiden wir. Dies ist das Leiden aufgrund von Freundschaften.

Wir leiden auch wegen unserer Feinde, da wir so viele Feinde haben, so viele Leute, die wir nicht mögen. Wir würden sie gerne einfach loswerden und nicht mehr sehen. Aber sie kommen immer wieder, und wir sind dessen gewahr, dass wir sie ablehnen und leiden darunter.

Auch unter dem, was wir tun, leiden wir. Wir wollen so viele Dinge tun, wollen starke Aktivität entfalten und viel leisten. Aufgrund dessen sind wir so stolz auf uns, jedoch neidisch und eifersüchtig anderen gegenüber. Und darunter leiden wir.

Durch unsere Bindung und Anhaftung haben wir die Klarheit unseres Geistes verloren, der sich aus diesem Grund in einem Zustand von Dumpfheit und Unwissenheit befindet. Diese Dumpfheit des Geistes lässt uns denken, dass die Schwierigkeiten von außen, von anderen kommen, und wir sind nicht imstande zu sehen, dass alle Schwierigkeiten von innen, von uns selber kommen. Solange wir unwissend sind und diese dunkle Wolke unseren Geist überschattet, sind wir nicht in der Lage, dies zu erkennen.

Zweck der Meditation ist es, sich seiner Anhaftung bewusst zu werden, die Dumpfheit und Unwissenheit im Geist wahrzunehmen und davon freizukommen. Wir sind in einem Zustand des Leidens gefangen, weil sich in unserem Geist ständig irgendein Wunsch regt. Wir halten immer nach etwas Ausschau, erhoffen oder erwarten etwas. Wir sind fortwährend auf der Suche, und das kommt daher, weil wir die ganze Zeit nur mit unseren Gedanken beschäftigt sind. Wir sind so sehr von der Wirklichkeit unserer Gedanken überzeugt, dass wir mit aller Anstrengung versuchen, sie in Erfüllung gehen zu lassen. Da wir aber nicht imstande sind, dies zu tun, leiden wir. Wenn wir erkennen können, dass diese Gedanken überhaupt keine Wirklichkeit haben und imstande sind, diesen suchenden, anhaftenden Geist loszulassen, werden sich die Gedanken ganz natürlich auflösen und mit ihnen der gesamte geistige Vorgang des Anhaftens und Festhaltens. Dadurch werden wir augenblicklich von Samsara, von all den Leiden, die wir jetzt erfahren, frei werden.

Wenn ihr aufhört, den Gedanken nachzuhängen, wird dieser suchende Geist still.

Glaubt ihr, dass ihr dann noch immer leiden werdet?

Untersucht ihr dies, so werdet ihr entdecken, dass alles Leiden von der Anhaftung an Gedanken kommt.

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