Die 5 Pfeiler der Praxis

 

 

Wer den Weg der Meditation, wie er in der Überlieferung des Buddha gelehrt wird, gehen will, muss durch Hören, Nachdenken und Praktizieren einen Einstieg in Theorie und Praxis des Buddhadharma finden. Durch Hören macht man sich zum Schüler und sucht Lehrer auf, die die Lehren der Übertragungslinie halten. Indem man über die empfangenen Lehren gründlich nachdenkt und sie in der Praxis anwendet, bringt man sie in Erfahrung und wird so zu seinem eigenen Lehrer. Dieser Prozess des Hörens, Nachdenkens und Meditierens wird häufig wiederholt, so dass man in seinem Verstehen immer größere Gewissheit erlangt. Die folgenden fünf Punkte sind Grundpfeiler der Praxis und während des ganzen Weges des Erwachens wichtig. Darum ist es ratsam, sich zu Anfang ein gründliches Verständnis von ihnen zu erarbeiten.

 

1 / Tiefes Nachdenken – den Geist aufs Wesentliche lenken

„Kinder sind vor allem mit Spielen, Jugendliche mit Sinnesvergnügen und Erwachsene mit Sorgen beschäftigt, aber kaum einer denkt gründlich über sich selber nach.“          Indisches Sprichwort

Wenn wir den Weg des Erwachens einschlagen und uns mit ihm verbinden wollen, so müssen wir das Licht des Gewahrseins auf uns selber lenken und tiefer über Bedeutung und Sinn unseres Lebens nachdenken. Wir wissen häufig sehr viele Dinge, doch meistens wenig über uns selbst, wissen nicht woher wir kommen, wer wir sind und wohin wir gehen, noch kennen wir den Weg zu einem leidfreien, vollkommenen Glück.

Dieser Grundpfeiler beinhaltet Unterweisungen zu folgenden Themen:

Die Vier Edlen Wahrheiten: die edle Wahrheit des Leidens – die edle Wahrheit von der Ursache des Leidens – die edle Wahrheit, dass die Ursache des Leidens behoben werden kann – die edle Wahrheit des Weges zur Befreiung vom Leiden 

Die vier grundlegenden Betrachtungen: der kostbare Menschenkörper –  Vergänglichkeit und Tod – Karma, das Gesetz von Ursache und Wirkung – die Nachteile des Daseinskreislaufes

Die unübertrefflichen Qualitäten der Befreiung

Die Notwendigkeit einem spirituellen Lehrer zu folgen

Die Bedeutung von Vertrauen und Zuflucht

 

 2 / Herzensgüte – wie die Sonne alles erwärmend

„Bei allem, was wir tun, sei es gehen, sitzen, essen, arbeiten, schlafen oder was auch immer, müssen wir darauf achten, dass unser Geist niemals von liebender Güte und Mitgefühl getrennt ist.“     Gendün Rinpoche

In allen buddhistischen Traditionen wird betont, dass die Entwicklung eines gütigen Herzens, einer liebevollen und mitfühlenden Einstellung unabdingbar für die Verwirklichung dauerhaften Glücks und echten Friedens ist. Die letztendliche Ursache all unseres Unglücks ist unsere starke Ichbezogenheit, die im Ungewahrsein wurzelt. Ungewahrsein bedeutet nicht zu wissen, wie wir uns selbst und andere wirklich glücklich machen können. Närrische Menschen, heißt es, suchen immer nur ihr eigenes Glück und ernten in der Folge viel Leid. Weise Menschen hingegen vernichten ihre Ichbezogenheit, indem sie zuerst das Glück der anderen suchen, und werden dadurch immer glücklicher.

Dieser Grundpfeiler beinhaltet Unterweisungen zu folgenden Themen:

Die Vier Unermesslichen: Liebe, Mitgefühl, Freude und Gleichmut / Das Erwecken von Bodhicitta, dem Herzgeist des Erwachens / Liebende Güte Meditation / Einführung in die Tonglen Praxis – Leid auf sich nehmen, Glück den anderen geben

 

3 / Aufmerksames Gewahrsein, das wie der erfrischende Mond die Hitze der Geistesgifte kühlt

Der Weg des Buddha ist direkt unter unseren Füßen. Es ist kein spezieller Weg, der weit weg woanders in einer schöneren Welt liegt, sondern ist einfach die Weise voll und ganz zu leben und sich in all seinen Handlungen ohne Überrest zu verbrennen. Wenn wir uns gerade dort, wo wir sind, ganz öffnen und rückhaltlos geben, entstehen Lauterkeit, Klarheit und tiefe Freude in unserem Geist.
Aufmerksames Gewahrsein bedeutet, in allen Haltungen des Lebens, ob im Gehen, Liegen, Stehen oder Sitzen, den Geist der Praxis zu bewahren. Wenn wir nicht mehr in formaler Meditation sitzen, geben wir das Meditieren nicht auf, sondern wechseln nur die äußere Haltung. Indem wir die Hand der formalen Praxis und die Hand der Aktivitäten des täglichen Lebens zusammenlegen, wird alles in die Meditation eingebunden und wir können schnell tiefe Verwirklichung erlangen.

Dieser Grundpfeiler beinhaltet Unterweisungen zu folgenden Themen:

Vier Grundlagen aufmerksamen Gewahrseins: aufmerksames Gewahrsein des Körpers – aufmerksames Gewahrsein der Gefühle – aufmerksames Gewahrsein des Geistes – aufmerksames Gewahrsein der Phänomene

Zehn heilsame ethische Verhaltensweisen: drei heilsame Handlungen des Körpers – vier heilsame Handlungen der Rede – drei heilsame Handlungen des Geistes

 

4 / Reine Sichtweise – die Reinheit von allem enthüllend

„Bewahrt eine reine Sichtweise, indem ihr alles, was erscheint, als grenzenlose Reinheit seht. Dann wird alles euch inspirieren, den Dharma zu praktizieren, und alles eine Illustration der Lehren sein.“    Dilgo Khyentse Rinpoche

In der Praxis des Dharma ist es wichtig, sich von allen extremen Sichtweisen zu befreien. Eine extreme Sichtweise ist, die Erscheinungswelt für etwas tatsächlich bestehendes zu halten, das ganz und gar wirklich ist. Dieser Sichtweise hängen wir für gewöhnlich an. Eine andere extreme Sichtweise ist, die Wirklichkeit der Erscheinungsformen zu leugnen und alles als leer zu betrachten. Beide Sichtweisen erfassen nicht die wahre Natur der Dinge und werden uns also folglich nicht zu einem wirklichen Verstehen unserer selbst und der Welt führen. In der Meditation arbeiten wir mit unserem begrenzten und unreinen Gewahrsein und üben uns darin, unsere gewöhnliche grobsinnige Wahrnehmung durch Weisheitsgewahrsein zu ersetzen.
Weisheitsgewahrsein heißt, alles als erscheinend und leer, leer und erscheinend zu erkennen und in seinem Zustand ursprünglicher Reinheit wahrzunehmen. Eine Methode zur Verwirklichung der reinen Sichtweise ist die Praxis auf Meditations-Gottheiten, wo wir die Welt als reines Gefilde oder Ausstrahlung vollkommenen Erwachens sowie uns selbst und alle Wesen als Weisheitswesen visualisieren. Je mehr wir alles als ursprünglich rein wahrnehmen, desto weniger Raum bleibt für unsere negativen Gedanken und Gefühle, der Quelle aller Konflikte, und umso leichter fällt es uns natürlich und von selbst im augenblicklichen, zeitlosen Gewahrsein zu verweilen, wo alle Gedanken und Gefühle im Moment ihres Erscheinens in ihrer wahren Natur erkannt werden.

Dieser Grundpfeiler beinhaltet Unterweisungen zu folgendem Thema:

Erklärung der täglichen Praxis auf CHENRESIG – Chenresig, auf Sanskrit Avalokiteshvara = der mit gütigen Augen auf die Wesen schaut – ist die Verkörperung universellen Mitgefühls.

 

5 / Offenes Gewahrsein – weit wie der klare Himmel

„Der intellektuelle Geist ist verglichen mit dem natürlichen Geist ein sehr kleiner Geist. Wenn ihr den Geist frei und offen lasst und nicht intellektuell irgendeine Art von Meditation fabriziert, fühlt sich der Geist viel wohler, sehr weit, sehr offen und Einsicht und Erkenntnis kommen ganz von selbst.“        Gendün Rinpoche

In allen Traditionen des Buddhismus spielt die Praxis der Meditation eine wesentliche Rolle. Meditation im buddhistischen Zusammenhang bedeutet jedoch nicht, besondere Zustände wie Trance, Ekstase oder Visionserfahrungen zu erzeugen, sondern zielt auf ein direktes Gewahrwerden unserer selbst. Wir haben viele Anspannungen und Ängste im Geist, die alle in unseren tief sitzenden Mustern des Festhaltens und Anhaftens wurzeln. Wenn wir meditieren, üben wir uns darin, alles Anhaften loszulassen, so dass der Geist einen Zustand des Behagens, der Entspannung und Erleichterung findet, in dem sich unsere Verspannungen ganz natürlich auflösen können.
Der Schlüsselpunkt der Meditation ist, frei von starker Anstrengung und frei von jeglicher Absicht zu sein, etwas Besonderes erreichen oder erzeugen zu wollen: Einfach sitzen, alles Festhalten und Anhaften loslassen und natürlich, frei von jeder Künstlichkeit verweilen. Auf diese Weise findet der Geist zu tiefer Ruhe und allmählich zur Einsicht in sein wahres Wesen.

Dieser Grundpfeiler beinhaltet Unterweisungen zu folgenden Themen:

Die Haltung des Körpersdie Atmungdie Natur des Geistesder Umgang mit Gedanken und GefühlenMeditation mit und ohne ObjektFehler in der Meditation und ihre Berichtigung

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